Wie das Puzzlestück laufen lernte

Nach vielen spannenden Jahren im Finance und Kommerz führte mich mein Weg 2017 auf eine neue Fährte und begann ich eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin im Hospiz. Der Zufall wollte es, dass meine Freundin Luna im Februar 2018 in diesem Hospiz einzog. Durch die Begleitung auf ihrer letzten Reise habe ich erfahren, wie groß die Ängste des Umfeldes sind. Auch die damit einhergehende Lähmung der Nahestehenden habe ich spürbar erlebt.

Seitdem lässt mich der Gedanke nicht mehr los, Menschen zu inspirieren, diesen Ängsten zu begegnen, auch weil ich glaube, dass mit dem Bewusstsein für unser aller Sterblichkeit unsere Gesellschaft eine bessere wäre.

HOCH LEBEN® war geboren und ein ‚Werkzeug‘ ist entstanden, mit dem man ganz automatisch und rein hypothetisch in eine Art ‚Sterbebett-Perspektive' eintauchen kann.

So formten der frühe Tod eines guten Freundes und Lunas letzte Reise die Quelle der Inspiration für die Puzzlestück Fürsorgevollmacht.

Auf dem Weg begegneten mir viele Menschen, Ereignisse und Zufälle, die auch einen großen Anteil an der Entstehung der Fürsorgevollmacht hatten: von der skurrilen Straßenbahnwerbung bis hin zu einem MDR TV Studio, das den Funken für den Namen Puzzlestück versprühte. Und ich entdeckte, dass es weltweit bereits viele Initiativen zum Thema Sterben und Tod gibt.

Von Death Cafes über Coffin Clubs, ob in England, Neuseeland, ja selbst in Amerika, wo der Tod wohlgemerkt die zweitgrößte Angst der Bevölkerung darstellt, gibt es - wie zunehmend auch in Deutschland - viele innovative Projekte rund um unsere Endlichkeit.

So zum Beispiel der YouTube Kanal Sarggeschichten mit Kurzgeschichten über das Sterben, den Tod und die Trauer. Oder auch die in meiner Heimatstadt Halle etablierten Kunst- und Kulturwochen Stadt der Sterblichen, welche die Thematik näher in das Bewusstsein unserer Gesellschaft rücken und sie auch für Skeptiker und Ängstliche leicht verdaulich zugänglich machen. Ganz wunderbar ist die Initiative Superhelden fliegen vor, die sich an junge Sterbende und deren Freunde richtet.
Innovativ ist auch die Initiative Departure Lounge in England - Popup Stores in Einkaufzentren, in denen man beim Einkaufsbummel seinen Abschied planen und dokumentieren kann, so simpel und banal wie shoppen gehen.

Die Popularität dieser neuen Entwicklungen ist Teil eines wachsenden Death Positive Movement, das die Landschaft rund um das Thema Tod und Sterben verändert - vor allem bei jungen Menschen.

All diese Entwicklungen fördern eine offene Fürsprache und Kommunikation, die unsere gemeinsame Sterblichkeit wieder zurück in die Gesellschaft holt. Es tut sich was und das ist gut so. Denn all die Menschen und Initiativen tun das unter anderem, weil sie glauben, dass unser Zusammenleben ein besseres, ein respektvolleres wäre, wenn wir uns unserer eigenen Endlichkeit bewusst wären. Daran glaube ich auch.

Denn aus meinen eigenen Erfahrungen weiß ich, welche Reflexionen im Angesicht des Todes ganz automatisch in Gang kommen und wie bereichernd und wegweisend, ja gar lebendig es sein kann, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Bibliotheken und das Netz sind voll mit inspirierenden Geschichten über Menschen, die regelmäßig mit dem Tod zu tun oder sterbende Angehörige begleitet haben. Wovor sich die meisten fürchten, kann etwas sehr Bereicherndes sein. Da passt es dann auch in den Zeitgeist, dass ‚Dying well‘ im Global Wellness Trend Report 2019 aufgenommen wurde.

Nachdem das Puzzlestück Crowdfunding bei Startnext Anfang 2020 von Corona überschattet wurde und das Fundingsziel nicht erreicht werden konnte, haben wir die ‚Ausstattung' des Buches ein klein wenig angepasst und die Druckfinanzierung der Erstauflage aus eigenen Mitteln gestemmt - wenn nicht jetzt, wann dann.

So lernte das Puzzlestück laufen und nun hoffentlich auch fliegen. Danke für Deine Lebenszeit und für Dein Vertrauen.

bleib wachsam. bleib zufrieden. bleib leben.
Antje